Mein Freund, ich muss es ja ehrlich zugeben, ist jetzt nicht gerade der Romantiker in Person (möglicherweise bin ich auch einfach von den ganzen Hollywood-Filmen und Frauenromanen verdorben). Dementsprechend werde ich nicht mit kleinen Aufmerksamkeiten oder Liebesbriefen bombardiert - was ich auch gar nicht erwarte. Unseren Jahrestag feiern wir auch nie wirklich - oder wenn, dann Wochen später.
Nicht nur dass die Geschenke immer erste Sahne sind, nein, er fädelt es auch immer perfekt ein, so dass ich von seinen Eltern das passende Begleitgeschenk bekomme, sei es das Pasta- & Soßen-Rezeptbuch zur Pastamaschine oder das Begleitbuch zum Fotokurs.
Wie es sich gehört, öffne ich natürlich bei einem Geschenk immer zunächst die dabei liegende Karte. Letztes Jahr Weihnachten war ich dann sehr verwirrt, stand da doch "Die Pflicht beherrschst du, jetzt kommt die Kür!". Aaahaaa? Okay??! Häääh?! Das Geschenk beinhaltete dann ein Kochbuch mit Rezepten aus New York City sowie einen Gutschein für einen Kochkurs im Restaurant von einem Jürgen Köpp. Okay, schön, noch nie was von gehört.
Er klärte mich dann auf, dass das ein Sternekoch hier am Niederrhein sei und er mal davon gelesen hatte. Das klang ja alles toll, aber so richtig begeistert war ich nicht. Ich fühlte mich zunächst ein bisschen so, als stände da "lern doch mal richtig kochen"! Und der Gutschein war für mich alleine, so dass wir nicht gemeinsam kochen würden.
Ich muss ja zugeben, dass ich es auch immer schön finde, wenn man eine gemeinsame Aktivität geschenkt bekommt... Tja, da hatten wir das Spiel allerdings ohne seine Eltern gemacht. Die hatten nämlich mitbekommen, dass er mir den Kochkurs schenken wollte und haben ihm kurzerhand auch einen Gutschein dafür geschenkt. So konnten wir doch gemeinsam die Kochlöffel schwingen :-)
Am letzten Juli-Samstag machten wir uns also auf den Weg nach Kalkar-Obermörmter, so richtig am A... der Welt gelegen, hinter dem Deich an einem Campingplatz.
Neben meinem Freund und mir hatten sich neun andere hungrige und wissbegierige Menschen eingefunden. Dazu natürlich der Chef, Jürgen Köpp, sowie seine Mitarbeiter - ein junger ausgelernter Koch und ein Azubi, der erst vor wenigen Wochen angefangen hatte.
Die Stimmung in der Küche war locker und während nach und nach alle Teilnehmer eintrudelten, wurden wir erstmal mit Kaffee & Schürzen versorgt, bis uns dann das Menü für den Tag präsentiert wurde.
Selbstgemachte Orangennudeln, Orangenpüree, Steinbeißer und Wels
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Kalbsrücken mit Kräuterkruste, Pilzrisotto und Brokkoli
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Gefüllte Crêpes mit Himbeerparfait
Schon bei der Verkündung lief mir das Wasser im Mund zusammen. Und ein kleiner Stein fiel mir auch vom Herzen. Ich bin ja doch ein picky eater und hatte Sorge, dass wir etwas zubereiten, was ich so überhaupt nicht mag. Aber das war alles nach meinem Geschmack.
Es wurde jeweils ein Gang gekocht, die Hauptarbeit übernahmen dabei die Profis, wobei aber die Teilnehmer natürlich mit anpacken durften. Die eine knetete den Nudelteig, die andere kurbelte den Teig durch die Maschine, der nächste kümmerte sich darum, dass der Fisch nicht in der Pfanne verbrannte. Und zwischendurch wurden wir immer wieder mit allerlei Tipps versorgt.
![Kochkurs - Vorspeise01]()
In Teamarbeit haben wir dann die Teller angerichtet. Diese waren natürlich vorgewärmt und alle genau gleich auf der Arbeitsplatte ausgerichtet. Auch beim anrichten wurden uns ein paar Kniffe gezeigt. Die Kartoffelpürree-Nocken gelingen am besten mit kalten, nassen Esslöffeln. Immer wieder von einem zum anderen Löffel schieben, bis sie schön ordentlich sind (die Exemplare auf meinem Teller sind nicht sooo ordentlich, wir sind ja schließlich noch keine Profis ;-)). Und die Nudeln lassen sich, um eine Fleischgabel gewickelt, auch viel schöner anrichten.
![Kochkurs - Vorspeise02]()
Danach durften wir mit den fertig angerichteten Teller in den Gastraum an die eingedeckten Tische (natürlich inklusive passendem Wein) verschwinden und das Essen genießen, während die Profis die Küche aufräumten und alles für den nächsten Gang vorbereiteten.
Da wir bei der Zubereitung der Vorspeise relativ viel rumstanden und uns nicht ganz so viel aktiv beteiligen konnten, meldete ich mich für die Hauptspeise direkt für die Schnibbelarbeit. Kräuterseitlinge in kleine Würfel schnibbeln. Und dann aus dem Brokkoli Röschen schneiden. Mein Co-Schnibbeler und ich waren uns einig: Wir produzieren ganz schön viel Müll. Denn bei dem Brokkoli wurden die Sterneküche-Ansprüche deutlich. Alles, was nicht mehr so ganz schön war, genauso wie alles weiße oder hellgrüne sollte weg. Zudem sollten die Röschen so geschnitten werden, dass man sie aufrecht hinstellen kann. Gar nicht so einfach. Wie man auf dem Teller sieht, ist uns das auch nicht so 100%ig gelungen...
![Kochkurs - Hauptgang]()
Bei dem Risotto-Reis erlebten wohl alle Teilnehmer einen Aha-Effekt. Jetzt mal ehrlich: Wie macht ihr Risotto? Bzw. wie habt ihr es gelernt? Zwiebeln anschwitzen, dann Reis hinzugeben und immer schlückchenweise Flüssigkeit hinzugeben, bis diese aufgesogen ist und erst dann nachgießen? Rühren, rühren, rühren? Tja, nichts da!
Der Sternekoch sagt: Zwiebeln anschwitzen und dann den ganzen Reis mit der ganzen Flüssigkeit hinzufügen und nur ab und zu rühren. Die Pilze wurden derweil separat in einer Pfanne gebraten - und das etappenweise, damit sie durch die austretende Flüssigkeit nicht kochen. Erst kurz vor Schluss wurden Reis und Pilze zum gemeinsamen Abschmecken (hier mit ordentlich viel Balsamico) zusammen gerührt.
![Kochkurs - Dessert]()
Beim Dessert habe ich mich dann schließlich bei der perfekten "Station" gemeldet :-D Nachdem die Crêpe gebacken waren, durften diese erst ein bisschen auskühlen und wurden dann zwischen zwei Küchenhandtüchern entfettet. Anschließend mit Amaretto und Puderzucker beträufelt, mit der Erdbeermasse gefüllt und zusammen gerollt. Zusammen mit einer anderen Teilnehmerin füllte und rollte ich die Crêpes. Und da für die schönere Optik die Enden abgeschnitten wurden, konnten wir schon ordentlich naschen :-)
Zwischen dem ganzen Kochen blieb auch Zeit für Plaudereien. Jürgen Köpp erzählte mit typisch niederrheinischer Schnauze ein bisschen aus dem Nähkästchen. Das Restaurant hat er vor etlichen Jahren von seinen Eltern übernommen und nach relativ kurzer Zeit den ersten Michelinstern erlangt. Und seit diesen 22 Jahren hält er ihn ununterbrochen. Er wird ab und zu auch mal für's Fernsehen angefragt, zuletzt wurde er zum Casting für Games of Chefs (VOX) eingeladen. Aber sein Restaurant hat für ihn höchste Priorität, so dass eine regelmäßige Abwesenheit aufgrund der Drehtage für ihn erst gar nicht in Frage kam. Schließlich könnten immer mal Michelin-Testesser oder andere Restaurantkritiker vorbei kommen. Und bei dieser abgelegenen Lage ist der Stern für ihn einfach sehr wichtig.
Generell merkte man ihm und seinem Team einfach an, dass sie mit Leidenschaft in der Küche arbeiten. "Ohne Leidenschaft geht's auch nicht, man muss für die Gastronomie gemacht sein!" Besonders beeindruckt hat mich eigentlich, mit wie wenig verschiedenem Kochgeschirr und Utensilien wir an dem Tag ausgekommen sind. Keine tausend verschiedenen Gerätschaften und Werkzeuge.
Wir hatten also einen interessanten, lehrreichen und vor allem seeeehr leckeren Samstag. Und zum Schluss bekamen wir die Rezepte noch zum nachkochen mit nach Hause.